„Ich wollte meinen Komfortbereich erweitern“

Tim Hahn ist Musiker und kam eher zufällig zum Segeln – jetzt ist er Trainer bei MCO. Ein Gespräch über den Reiz des Solent, die Unterschiede zwischen dem deutschen und der englischen Ausbildung und die Frage, was er selbst noch lernen kann

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Tim, Du bist jetzt „Cruising Instructor“ bei MCO im Solent. Wie wurdest Du denn überhaupt zum Segler?

Tim Hahn: Ich bin jetzt 52, wohne in Dresden an der Elbe und arbeite als professioneller Musiker, seit ich 16 bin. 2006 kam ich eher zufällig zu einem Bootsführerschein. Ich bin also nicht schon als Kind auf einer Jolle groß geworden. Nach ein paar Törns war klar, dass das riesigen Spaß macht und mir das ganz gut liegt. 2008 hab ich den Sportküstenschifferschein (SKS) gemacht, relativ schnell danach auch den Sportseeschifferschein (SSS). Anschließend hab ich offensiv bei Segelschulen gefragt, ob sie nicht Skipper suchen. Ich wollte meinen Komfortbereich erweitern, bin ins kalte Wasser gesprungen und war zunächst auf Urlaubstörns im Mittelmeer unterwegs. Danach kam die Frage, ob ich nicht auch mal einen SKS-Ausbildungstörn anleiten wolle. Aus einem wurden viele und ich hab mich noch intensiver mit dem Segeln beschäftigt. Seit letztem Jahr bin ich auch Prüfer beim Deutschen Segler-Verband.

Wie kamst Du dann zum RYA-Ausbildungssystem?

Ich hatte zunächst in der YACHT davon gelesen, dann mal einen Theoriekurs hier, ein Skippersturmtrainung dort absolviert, dazu Gezeitentrainings und Meilenpassagen auf der Nordsee. So hab ich mich immer weiter da hineingearbeitet – und 2022 schließlich bei Clemens den RYA Yachtmaster Offshore abgelegt. Ein halbes Jahr später wurde ich Cruising Instructor. Das war übrigens einer der spannendsten Kurse, die ich mitgemacht habe. Da geht es ja weniger ums Segeln als um Kommunikation, Crewführung und pädagogische Fähigkeiten. Bei der Bootsschule in Dresden, bei der ich einst meinen ersten Schein gemacht habe, mache ich inzwischen fast die komplette Ausbildung. Aber jetzt, nach meiner RYA-Ausbildung, gehe ich auch meine SKS-Kurse ganz anders an.

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Wie war deine erste Erfahrung als RYA-Trainer im Solent?

Das war ein RYA Day Skipper- und Gezeitentraining mit lauter Deutschen und Schweizern, die schon auf einem guten seglerischen Niveau waren und mal das Gezeitenrevier kennenlernen wollten. Ich glaube, es waren alle hellauf begeistert – vom Revier, dem Törn, vom Inhalt. Mir hat mir das alles viel Spaß gemacht. Selbst wenn man das Revier kennt – als Cruising Instructor eine ganze Trainingswoche zu planen, war schon eine Herausforderung. Aber am Ende strahlten alle Gesichter.

Worauf kommt Dir als Trainer besonders an?

Das Wichtige ist ja, dass man die Leute alle da abholt, wie sie gerade stehen, sie fordert, aber nicht überfordert – ohne dabei ein Standardprogramm für alle abzuhaken. Ich will immer allen auf Augenhöhe begegnen, jeden auf seinem Level weiterbringen, ohne dabei die Gruppe auseinander zu reißen. Der eine hat mehr theoretische, der andere mehr praktische Skills. Und trotzdem soll jeder an den Punkten wachsen, wo er noch nicht so viel Erfahrung hat.

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Was war noch schwierig für Dich in der ersten Woche als Trainer?

Mein Fazit: Am Anfang nimmt man sich zu viel vor! Man will alles in einer Woche unterbringen, sollte einen Hafen, den man unbedingt ansteuern möchte, aber trotzdem lieber am vierten Tag ansteuern, statt ihn gleich am ersten Abend mitzunehmen. Der Törnplan kann beim nächsten Mal also noch gefälliger werden, ohne dass ich Angst haben muss, dass irgendein Übungsteil am Ende ausfällt.

Welche Wetterbedingungen hattet ihr?

Wir hatten sehr schöne Bedingungen mit drei bis vier, in Spitzen auch mal sechs Beaufort – und kaum Flaute. Zwei Mal war aber dicker Nebel – das war schön! So kann man mal ganz praktisch erleben, wie es sich bei eingeschränkter Sicht segelt. Solche Erfahrungen lassen die Theorie gleich viel klarer werden. Wenn man die Schallsignale einmal gehört hat, bleibt das hängen, viel mehr als wenn man Diagramme in Büchern anguckt. Der Vorteil des Solents für das Training ist, dass man viel Großschifffahrt sehr nahe begegnet und so lernt, auch in diesen Situationen die nötige Ruhe zu bewahren und nicht hektisch zu werden.

Wo sieht Du die größten Unterschiede zwischen dem deutschen und dem englischen Ausbildungssystem?

Der Vorteil der RYA ist ihre Praxisbezogenheit! Die Leute lernen in der Theorie in Deutschland oft sehr viel, haben aber keine Vorstellung, wofür genau eigentlich. Die praktische Ausbildung kommt da zu kurz – das ist in der RYA anders. Tourplanung und Crewführung taucht im deutschen System als Lerninhalt praktisch gar nicht auf, dabei machen diese Kompetenzen einen guten Skipper erst aus. Es sind deswegen bei der RYA aber nicht weniger Theoriekenntnisse erforderlich – im Gegenteil! Die Theorie, etwa die Lichterführung, wird nicht stumpf als auswendig gelerntes Wissen abgefragt, sie hat immer einen Praxisbezug.

 

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Was muss man mitbringen, um RYA Day Skipper zu werden oder ein Gezeitentraining mitzumachen?

Für ein Gezeitentraining braucht man eigentlich keine Vorkenntnisse in der Gezeitennavigation – das vermitteln wir auf eine einfache, gut strukturierte Weise. Erfahrung im Segeln sollte man aber mitbringen, sonst ist man im Gezeitenrevier schnell überfordert.

Manche sagen: Wenn man im Solent zurecht kommt, kommt man überall zurecht!

Das würde ich so unterschreiben! Der Solent hat große Herausforderungen – Untiefen, viele Tonnen, zahlreiche große Schiffe, denen man begegnet, zudem extremen Tidenhub, starke Strömung und Häfen auch in Flussmündungen, die nicht einfach anzusteuern sind. Danach hat man das Werkzeug, anderswo auch immer klar zu kommen.

Machst Du weitere Kurse als Trainer bei MCO?

Ja, das ist geplant! Ich bin bereit und freue mich darauf.

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